Viele Erinnerungen kamen mir beim Lesen des Beitrages Germania est delenda [32 Seiten, pdf, 5 MB] von Dieter Hoppe. Es sind lange zurückliegende Eindrücke von den Geburtstagsfeiern meiner Großeltern. Mein konservativer Großvater Albert war nicht nur genau 32 Jahre jünger als der letzte deutsche Kaiser. Er hatte als Schüler an seinem Geburtstag, der auch Kaisers‘ Geburtstag war, immer schulfrei. Mehr als 20 Jahre saß mein Opa für eine zentrumsnahe Bürgerliste im Gemeinderat eines Waldecker Ortsteils. Am 27. Januar kamen zum feiern einige Dorfhonoratioren und Lehrer zusammen, deren politischer und geschichtlicher Fachsimpelei ich interessiert zuhörte: Was wäre, wenn der 1. Weltkrieg nicht im Versailler-Vertrag geendet hätte und Hitler mit seinem Nationalsozialismus keine Chance gehabt hätte? Den Mächtigen aller Nationen ging es vor 100 Jahren vordergründig um die Ehre, aber im Hintergrund um wirtschaftliche Interessen (Imperialismus). Weil die Folgen eines Krieges im Sommer 1914 falsch eingeschätzt wurden, spielten die Regierenden mit dem Feuer und verloren mehr oder weniger alle dabei – bis auf die USA, die gestärkt aus dem Konflikt gingen.
Rudolf Augstein hat vor 16 Jahren einen Artikel zur Vorgeschichte des 1. Weltkrieges geschrieben. Wie auch Dieter Hoppe kommentiert er den oben als Beitragstitel gewählten Slogan der Saturday Review. Dort stand schon im August 1895, also fast zwei Jahrzehnte vor dem 1. Weltkrieg: „Wir Engländer haben bisher stets gegen unsere Wettbewerber bei Handel und Verkehr Krieg geführt. Unser Hauptwettbewerber ist heute nicht mehr Frankreich, sondern Deutschland.“
Krieg war seit der Antike ein Mittel, wirtschaftlich erfolgreiche Mitbewerber auszuschalten. Cato rief deshalb zur Zerstörung Karthagos auf. Churchill ist ein Nachfolger im Geiste in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Er erkannte „Es geht nur darum, wer der Stärkste ist.“
Das scheint auf den ersten Blick ähnlich wie bei einer Fußball-WM zu sein. Auf den zweiten Blick erkennt man, dass solcher Ehrgeiz die Rachegefühle der Verlierer stärkt und der Grund ist, dass Millionen Menschen zu Tode kamen, weil man die Niederlage in der in Versailles beschlossenen Form nicht hinnehmen wollte. Ein demütigendes Kriegsende ist oft der Grund für den nächsten Krieg. In der Ukraine und im Nahen Osten scheint diese Kausalität noch nicht angekommen zu sein.