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Korrespondenz via Internet

AWDHWegen meines vollen Terminkalenders und vieler familiärer Verpflichtungen komme ich selten nach Melsungen. Deshalb habe ich kaum noch die Gelegenheit, mit Dieter Hoppe und seiner Frau bei Kaffee und Kuchen im angeregten Gespräch über seine Aktivitäten und seine Erlebnisse zu sprechen. Derzeit ersetzt das Internet den persönlichen Kontakt. Einen Ausschnitt der elektronischen Post liefern die von Dieter Hoppe verfassten Emails vom Januar 2014, die ich mit seiner Erlaubnis unter dieser Einleitung veröffentliche.Wer meine Veröffentlichungen gelesen hat und mit denen von Dieter Hoppe vergleicht, wird uns irgendwo im freiheitlich bzw. liberal zu nennenden Spektrum einzuordnen versuchen. Dabei scheint Dieter Hoppe den konservativen Liberalen näher als ich. Wir schätzen beide die Meinungsfreiheit in unserem Land. – In seiner Jugend in der DDR wäre es für Dieter Hoppe lebensgefährlich gewesen, die von ihm zusammengetragenen Fakten und Analysen zu veröffentlichen. Heute hat Deutschland eines der freiheitlichsten Rechtssysteme.
Unsere Regierung ist nur zu feige, die wieder erlangte Souveränität im Sinne der Freiheit zu nutzen: Wenn dem nicht so wäre, würde sie Edward Snowden als Verfolgtem Asyl gewähren, falls er es beantragt und sie würde ihn unter ein Zeugenschutzprogramm stellen. Mit seinen Veröffentlichungen zeigt Snowden, wie fremde Mächte die Persönlichkeitsrechte und die Menschenwürde von uns allen missachten. Wir werden offensichtlich fremdüberwacht und unsere Wirtschaft wird nebenbei von „befreundeten Geheimdiensten“ umfassend ausspioniert. Das geschieht unter dem Deckmantel der Terroristensuche: E. Snowden ist derjenige, welcher nachweisbare Fakten liefert und dabei nicht nach den Millionen verlangt, die man sonst den Lieferanten von Schwarzgelddaten aus Steueroasen zahlt. Für den Verrat von Schweizer-Bankdaten gibt es viel Geld, für das Aufdecken von Angriffen auf unsere Persönlichkeitsrechte gibt es noch nicht einmal Asyl für die Person, die Beweise liefert. Der Asylant Snowden würde noch nicht einmal unsere Sozialsysteme belasten. Das nenne ich peinlich und Feigheit vor dem scheinbaren Freund.

Unsere Politiker wirken seit Jahren wie Bürokraten bei der Ausführung von Verwaltungsakten. Sie bewegen keine Emotionen mehr. Wen wundert es, wenn die jungen Menschen, deren Zukunft zudem noch durch hohe Staatsschulden belastet wird, nicht mehr zu Wahlen gehen, um ihnen Absolution zu erteilen. Seit dem Nobelpreis für Willy Brandt und der Deutschen Widervereinigung sind Sternstunden in der deutschen Politik zur Mangelware geworden.

Parallelen: Das Volk im antiken Rom war eine lange Zeit mit Brot und Spielen ruhig zu stellen. Statt Brot haben wir unsere Rente und sozialen Sicherungssysteme. Satte und gut bespaßte Menschen sind oberstes Staatsziel und wichtiger als die bedrohte Freiheit durch das Reich des Schnüffelns (NSA-USA).
Soviel zu den Gedanken, die mir kommen, wenn ich mit interessanten Menschen wie Dieter Hoppe diskutiere oder deren Texte lese.
Hier jetzt die zuvor genannten Mails von Dieter Hoppe:

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Guten Abend Herr Rennert,

Selbstverständlich bin ich mit der Veröffentlichung meiner Mail in der hier wiedergegebenen Form einverstanden. Ich hatte gar nicht damit gerechnet, dass Sie praktisch den gesamten Text verwenden würden. An ihm werden wohl einige Anstoß nehmen. Das taten schon einige sehr wenige Kommilitonen während meiner Studienzeit. Heute hat sich da einiges Geändert.

Es wird Sie vielleicht interessieren. Einer der Männer, die mir und anderen Mitschülern auf freiwilliger Basis einen Wochenendkurs über Marxismus-Leninismus gegeben haben, war evangelischer Theologe. Er hatte sich als Kriegsgefangener freiwillig dazu gemeldet, an einem Lehrgang über Marxismus-Leninismus teil zu nehmen. Der Lehrgang hatte bei ihm aber offenbar genau das Gegenteil von dem bewirkt, was er sollte. Bei vielen Theologen sieht das heute leider anders aus.

Mit freundlichen Grüßen

Dieter Hoppe

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Hier die Mail, welche der oben genannten vorausging:

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Guten Tag Herr Rennert,

die Einbindung meines Beitrags Oskars Haftbefehl auf der Seite des Heiligenberg- Blogs hat mir gut gefallen, vor allem die Verbindung mit dem Video. Besonders gefiel mir, dass je ein deutscher und ein französischer Historiker zu Wort kam und keine Politologen. Sie haben, so weit meine Erinnerungen bis in die Studienzeit zurückreichen, ein Großteil der erwähnten Fakten zu leugnen oder sehr einseitig in ihr Gegenteil zu drehen versucht. Im vergangenen Jahr hatte ich Gespräche und schriftlichen Gedankenaustausch zum Völkerschlacht-Denkmal in Leipzig. Dabei kam, wie in dem Video zur Sprache, dass keines der Völker in Europa einen Krieg wollte. Besonders in Deutschland hatte man 1913 auf breiter Basis eine Lebensqualität erreicht, wie man es wenige Jahre zuvor nicht für möglich gehalten hätte. Die Lebensqualität der breiten Massen übertraf die der Massen in England und Frankreich deutlich. Außerdem war man in Deutschland stolz darauf, in einem Rechtstaat zu leben. Die Presse war freier und kritischer, als man das heute noch wahrhaben will. Auch die Justiz war frei und nicht weisungsgebunden wie heute.

Doch manche politischen Kreise und Mitglieder der Wirtschaft ebenso wie maßgebende Leute in der Presse waren an einem Krieg interessiert, ohne dass man sich darüber im Klaren war, wie dieser Krieg aussehen würde und welche konkret formulierten Ziele man erreichen wollte. Der Bevölkerung sagte man das natürlich nicht, sprach vom Frieden und bereitete die Bevölkerung aber moralisch zum Kampf gegen den potentiellen Gegner vor. Das tat man vor 1939 immer noch.

In Deutschland lebte die napoleonische Katastrophe noch im Bewusstsein der Bevölkerung. Auch im Altkreis Melsungen gab es nahezu kein Haus, in dem nicht mindestens ein Toter zu beklagen war. (Als Beispiel mögen die in der Anlage beigefügten Opferlisten aus dem Altkreis Melsungen dienen, sortiert erstens nach dem Wohnort und zweitens nach dem Namen. Die Listen hatte ich ursprünglich für Bedriaga, der Freiheit eine Gasse gedacht). Man wollte 1913 leben und keinen Krieg führen. Frieden ernährt, Unfrieden verzehrt war eine tief im Volk verwurzelte Auffassung. Für den Bau hatte die deutsche Bevölkerung jahrzehntelang Geld gesammelt, um das Völkerschlachtdenkmal sowohl als Stätte der Trauer und zugleich als Mahnmal für den Frieden errichten zu können. Die Regierungen hatten daran kaum einen Anteil. So war das Denkmal auch auf keinen Fall ein Siegesmonument, wie es in Propagandaideologien behauptet wird. Die Bevölkerung stand hinter dem Militär, weil es nach deutschen Erfahrungen mit seiner Geschichte und mit Napoleon keinen Frieden und keine Sicherheit geben konnte. 1913 nahmen nicht umsonst 27 Länder an der Einweihung teil. Das sind genauso viel wie 2013 zur Gedenkfeier der Einweihung des Denkmals kamen. Doch, was die Vertreter dieser Staaten 1913 bzw. 2013 zusagen hatten, erfuhr die breite Öffentlichkeit im vergangenen Jahr nicht. Das ist eine offene Diskriminierung dieser Länder und spricht ihnen im Grunde genommen das Recht auf Selbstbestimmung, Freiheit und Demokratie ab.

Im öffentlich-rechtlichen Fernsehen wurde das Denkmal sogar als nationalsozialistisches Monument bezeichnet. Die DDR hat das Denkmal gleichermaßen wie die Nazis für ihre Zwecke missbraucht. Deshalb könnte man das Völkerschlachtdenkmal genauso gut als sozialistisches Denkmal bezeichnen. Das scheinen die Macher des Fernsehens aber nicht begreifen zu können.

Was ist los mit der deutschen Geistesverfassung? Vor einiger Zeit las ich einen gut fundierten Artikel: „Die Deutschen können nicht mehr nicht trauern.“

Auf die Thematik wurde sehr breit und tiefgehend eingegangen. Nach meiner Auffassung ist diese Unfähigkeit zu Trauern einer der Gründe für Falschinformationen wie die über das Völkerschlachtdenkmal. Solche Falschinformation und bedeutet gleichzeitig Diskriminierung der Opfer und ihrer Familien. Früher gab es einmal als Feststellung die Redewendung: Er ist im Felde geblieben. Daraus wurde später gemacht: Er ist auf dem Felde der Ehre geblieben. Das bedeutet im Grunde eine Verniedlichung des Todes und ein mangelndes menschliches Mitgefühl. Der millionenfache Tod auf den Schlachtfeldern Napoleons bedeutete tatsächlich ein erbärmliches Krepieren. Von Ehre blieb den Toten und deren Angehörigen nichts. Da die Schreiber kein menschliches Mitgefühl und Trauer kennen, muss eine andere Begründung für die Urheber solcher Falschbehauptungen her. So wird aus einem Monument der Trauer und Mahnmal für den Frieden ein Siegesdenkmal. Damit zeigen die Urheber solcher Behauptung die gleiche Gesinnung wie Napoleon, Lenin, Stalin und Hitler, denen gleichermaßen jedes Mitgefühl für die Soldaten und Menschen abging. Als 1806 in der Schlacht von Jena und Auerstedt innerhalb eines Morgens 30.000 Soldaten gefallen waren, sagte Napoleon nach der Schlacht ohne ein Blick für die Opfer übrig zu haben: C´est une belle journée. (Wir haben heute einen schönen Tag.)

Lenin postulierte sinngemäß, wenn 1000 Tote zur Erreichung des Zieles notwendig sind dann müssen eben auch 1000 Tote sein, wenn 1000 Tote nicht ausreichen, dann müssen es eben 10.000 Tote sein, wenn 10.000 Tote nicht reichen, dann müssen es eben 100.000 Tote sein und wenn diese nicht reichen, dann müssen es eben …… . Hitler gehört zu den Menschen, die diese Worte aufmerksam gelesen haben.

In der Nazizeit wurde das Denkmal zum Zeichen des Sieges umfunktioniert und diente der „Heldenverehrung“. Diese nazistische Heldenverehrung hat aber mit Trauer absolut nichts zu tun. Das Denkmal steht beim genauen Hinsehen geradezu im Gegensatz zur nazistischen „Ideologie“. Das kann man aber nur begreifen, wenn man selbst Trauer empfinden kann.

Dort, wo heute in Deutschland öffentliche Trauer gezeigt oder postuliert wird, handelt es sich i.a. um pure Heuchelei, d.h. um politische Aktionen. Auf Friedhöfen ist es seit langem gang und gebe, dass Gräber beraubt, beschädigt oder beschmiert werden. Fasst man ausnahmsweise mal einen Täter, so wird das Verfahren meist wegen Geringfügigkeit eingestellt.

Begreifen die heutigen Richter überhaupt, was sie damit mit ihrer materialistischen Weltanschauung anrichten. Wird allerdings ein jüdisches Grab beschädigt, sieht die Sache ganz anders aus. Das hat aber nichts mit Mitgefühl zu tun sondern, wie ein britischer Freund sagte, mit Propaganda.

Die für die diskriminierende Bezeichnung als Siegesdenkmal gibt es weitere ideologische Wurzeln. Wir finden sie im Leninismus-Marxismus und seiner Dialektik.

Das hier zutreffende Denken lässt sich einfach mit dem Bericht, den mir ehemaliger Kriegsgefangener in sowjetischer Kriegsgefangenschaft gab, verdeutlichen.

Die Gefangenen mussten jeden Morgen als erstes die Leichen der in den kalten, ungeheizten und zugigen Baracken erfrorenen und von Wanzen halbaufgefressenen Kameraden nach draußen bringen. Als sich einer der Gefangenen bei einem Offizier über diese Baracken beschweren wollte, bekam er zur Antwort. Seine Worte wären eine Verleumdung der Sowjetunion. Die Baracken wären die fortschrittlichen und in die Zukunft weisenden Bauten des Sozialismus. Würde es diese fortschrittlichen Bauten nicht geben, dann müssten die Gefangenen bei der eisigen Kälte im Freien übernachten ohne jeden Schutz. Die Gefangenen fühlten sich verhöhnt.

Diese Formulierung beruht auf der marxistisch-leninistischen Definition von Wahrheit. Danach gibt es die subjektive und die objektive Wahrheit. Die subjektive Wahrheit ist das, was wir mit eigenen Augen sehen und erleben können. Sie steht aber vielfach im direkten Widerspruch zur objektiven Wahrheit. Wer die objektive Wahrheit kennt, kann sich bei einem gegebenen Stichwort u. U stundenlang zu dem vorliegenden Thema äußern, Sachkenntnisse sind dabei aber nur hinderlich. (Sagte schon Lenin). Wenn ein Kommunist/Sozialist mit einem Kapitalisten diskutiert und sich mit seiner Meinung nicht durchsetzen kann, dann verlangt Lenin: Lügen, lügen und nochmals lügen. Diese Lügen dienen der objektiven Wahrheit und damit dem Fortschritt des Sozialismus. So etwas hatte auch mein älterer Bruder als Junglehrer in der SBZ/DDR zu lernen. Die persönliche Auswirkungen dieser Ideologie bekam er dann auch noch am eigenen Leibe zu spüren. (Link zu Oskars Haftbefehl)

Zurück zu Napoleons Opfern und dem Völkerschlachtdenkmal.

In Leipzig hat man voriges Jahr auch mit ausländischer Beteiligung die Geschichte zu verarbeiten versucht, indem man des 100. Jahrestags der Errichtung des Völkerschlachtdenkmals gedachte. Dazu gehört auch die großartige Ausstellung im Panometer.

Wenn im letzten Jahr in der HNA der Versuch der Leipziger (und Sachsen) mit einem Zeitungsartikel „Das Spektakel in Leipzig“ verunglimpft wird, so zeigt das das gleiche fehlende Mitgefühl für Menschenwürde wie oben angesprochen und die Unfähigkeit zu trauern, wie uns in Deutschland vorgeworfen wird. Dafür pflegt man die objektive Wahrheit und ist noch stolz darauf, weil man ja den Durchblick hat.