“Alle Jahre wieder…” war das Weihnachtslied, welches ich als Kind am liebsten gesungen habe.
Alle Jahre wieder denke ich an den letzten Tagen des Jahres über die vorausgegangenen 12 Monate nach. Zum einen ist das von “Berufs wegen”, weil ich für die Steuererklärung meinen Jahresabschluss mache und dabei noch einmal alle Ein- und Ausgangsrechnungen in die Hand nehme und prüfe ob sie beglichen sind, zum anderen ist das auch privat, wenn ich an einigen Stunden Fotos oder Videos betrachte und überprüfe, ob sie es wert sind, dauerhaft auf eine CD gebrannt zu werden. Wenn dann an diesen letzten Dezembertagen im Fernsehen noch die “Bilder des Jahres” kommen, schaue ich mir auch diese an. Bei diesen Bilanzen stelle ich fest, dass das Jahr für uns privat gar nicht so schlecht war, wie der allgemein grassierende Pessimismus in der Wirtschaft vermuten lässt. Aufträge gab es genug und die Arbeit brachte mir neue Impulse und ich verrichtete sie in der Regel mit Freude. Privat gab es im engeren und weiteren Familien- und Freundeskreis weder ernsthafte Krankheiten noch Tod. Das nehme ich, wie wohl viele andere auch, selbstverständlich hin, ahnend, dass es in Zukunft einmal anders sein wird, aber hoffend, dass es nicht so bald ist. Am Neujahrstag dieses Jahres flog ich das erste mal seit 30 Jahren mit der Familie in Urlaub – sonst nutzten wir während der Ferien andere Verkehrsmittel. Während der Start- und Landephase des Fluges hatten wir etwas Anspannung, wegen der für uns ungewohnte Art des Reisens, aber an Böses dachten wir nicht. Das wird beim nächsten Flug wohl anders sein, weil der 11. September dieses Jahres im Gedächtnis bleibt.
In meinem Gedächtnis hätte sich wohl kaum etwas von einer der zahlreichen Excel-Schulungen für einige Mitarbeiter meines wichtigsten Kunden festgesetzt. Alles lief wie üblich, die Teilnehmergruppe war angenehm und ich hatte den anstehenden Stoff um 16:30 abgeschlossen. Wie üblich bereitete ich noch die soeben behandelten Fallbeispiele für die Kursteilnehmer auf, damit diese im elektronischen Archiv nachgeschlagen werden können. Weil mich aber, wie oft nach getaner Arbeit, eine Müdigkeit überkam, holte ich mir Kaffee und Kekse aus den Resten der bereitgestellten Bewirtung und setzte mich wieder an den PC. Zur Entspannung klickte ich auf die Website von t-online. Als ich die Nachricht aus New-York unter einem unscharfen Bild las, dachte ich zunächst an einen Unfall. Beim Einschlag des 2. Flugzeuges glaubte ich an einen sehr üblen Scherz – weil es ja Hacker gibt, welche Befriedigung daran finden, fremde Webseiten zu manipulieren. Ich rief dann zuhause an und hörte das alles real im Fernsehen zu sehen war. Millionen Menschen schauten zu, wie die Symbole unserer modernen Gesellschaften zu Gräbern von tausenden Menschen wurden. Irreal und unwirklich erschien das alles, ebenso wie die anschließenden Geschehnisse in und um Afghanistan.
Viele Menschen, welche den Einsatz militärischer Gewalt grundsätzlich ablehnten, mussten sich eingestehen, dass hier mit friedlichen Mitteln und Verhandlungen keine Wirkung erzielt werden konnte.
Mussten erst tausende Menschen in Amerika sterben, damit die Menschen, vor allem die Frauen in Afghanistan eine Chance auf ein besseres Leben haben? Bleibt zu hoffen, dass der nächste Jahresrückblick von derartigen Geschehnisse verschont bleibt und dass über weniger Widersprüche nachgedacht werden muss. Ich wünsche allen, die mich kennen
ein gutes neues Jahr
Konrad Rennert, 28.12.2001