
Rotkäppchen brauchte noch keinen Strom. Sie lief eine halbe Stunde durch den Wald, um der Großmutter Kuchen und Wein ans Bett zu bringen. Die heutigen Großmütter und Großväter bewegen sich oft per E-Bike durch die Wälder und Auen der Grimmheimat. Weil sie im Wald nicht von Rotkäppchen und den sieben Zwergen verwöhnt werden, bestellen Sie ihren Kuchen und Wein beim nächsten Wirt. Oft brauchen sie als Zugabe auch noch Strom für den nächsten Streckenabschnitt. Elektrischer Strom wird in Grimms-Märchen nicht erwähnt und findet demzufolge auch nur selten Erwähnung im Angebot für die Besucher der Region.

Dabei wäre ein Angebot kaum mit hohen Kosten verbunden. Anders als bei Elektroautos müssen keine hohen Investitionen für Ladestationen getätigt werden, wenn Gastronomen die E-Biker bei der Weiterfahrt unterstützen wollen. Wer bei längeren Radtouren zu Zwischenstopps einkehrt, hat sein Ladegerät üblicherweise dabei. Bei einer Leistungsaufnahme von 140 Watt, müsste ein Gast schon 7 Stunden bleiben und dabei mehrere Akkus aufladen, um beim Wirt den Stromzählerstand um eine Kilowattstunde zu erhöhen. Das würde dem Gastronomen ca. 0,30 Euro kosten. Der Speisen- und Getränke-Umsatz eines mit dem E-Bike angereisten Gastes ist aber wahrscheinlich um mehr als das Hundertfache größer als die 10 bis 15 Cent Stromverbrauch innerhalb einer üblichen Aufenthaltsdauer von 2 Stunden. Die Stromkosten werden zudem vom E-Biker gern als zusätzliches Trinkgeld gezahlt, wenn es denn diesen Service geben würde.
Was müsste ein Gastronom tun, um diese Klientel zu gewinnen? Ein Hinweiszeichen für gut erreichbare Steckdosen im Blickfeld des Gastes reichen aus. Notfalls könnte man eine Kabeltrommel bis zum Biergarten oder zur Cafe-Terrasse ausrollen. Damit per E-Bike anreisende neue Gäste den Service zum Nachladen erkennen können, könnte man auf der ausgehängten Speisekarte oder auf der Website einen Hinweis anbringen: „Eine Schuko-Steckdose wird für die mitgebrachten Ladegeräte der E-Biker auf Anfrage bereitgestellt.“ Wenn das Stromangebot Zuspruch findet und den Umsatz steigert, kann später eine professionelle Lösung gewählt werden, wie wir sie beim Kutscherhus in Basdorf nahe des Edersees vorgefunden haben.
Radeln durch die Grimmheimat, statt Autofähre nach Finnland
Hintergrund dieses Beitrages ist die eigene Recherche und die Erfahrungen im Pandemiesommer 2020. Nordhessen und das angrenzende Weserbergland wurde mangels risikoarmer Alternativen zum Ziel unseres Sommerurlaubs. Bis auf die dürftige Gastronomie gab es nichts zu bemängeln.
Die gerade erworbenen E-Bikes ermöglichen ungewohnten Zugang zur Natur. Zu Fuß ist es mühsam entlegene Orte zu erkunden und mit dem normalen Rad meiden untrainierte Senioren wie wir die anspruchsvollen Radwege im Mittelgebirgsraum. Das Pedelec gleicht die nachlassende Kondition aus. Bei unseren Unternehmungen legten wir mit dem E Bike bisher zirka 1000 Kilometer zurück. Gab es an den Etappenzielen Gästezimmer oder Jugendherbergen, konnte man dort den Akku aufladen. Das Aufladen zwischendurch war aber schwierig. Das bergige Gelände reduzierte die in der Beschreibung der E-Bikes angegebene Strecke mit elektrischer Unterstützung um 60 bis 80 Prozent. Wer am Edersee abfährt kommt nach ca. 30 Kilometern mit leerem Akku am Twistesee an.
Einmal gedachten wir, im Restaurant des Landauer Schlosses zu speisen, welches uns Freunde empfohlen hatten. Das Schloss und der Brunnen mit den Märchenfiguren des Froschkönig sehen ansprechend aus, aber in schlechter Erinnerung blieb die Auskunft an der Rezeption, dass E-Biker nur bei Hotelbuchungen mit Strom versorgt werden. So fuhren wir hungrig weiter zum Staudamm am Twistesee. Am Kiosk mit der Anmeldung konnte man zwar Kaffee und Kuchen ordern aber nebenbei den Akku mit Strom für ein paar Cent nachzuladen wurde nicht gestattet. Also fuhren wir stromlos weiter zur nächsten Bewirtungsmöglichkeit. Man kommt sich dann nicht mehr als Kunde, sondern als lästiger Bettler vor, der statt um einen Euro um Strom im Bereich von 10 Cent bettelt. Glück hatten wir beim Strandbad Twistesee. Das junge Personal war sehr freundlich aber in Sachen Stromkosten wenig vorgebildet. Bei der Stromanfrage gab es Bedenken wegen der möglichen hohen Stromrechnung. Als Physiker konnte ich anschaulich erklären, dass ein völlig entleerter E-Bike-Akku nicht mehr als 500 Wattstunden aufnehmen kann. Umgerechnet sind das 0,5 Kilowattstunden für die uns der Stromlieferant etwa 15 Cent berechnen würde. Dafür müsste der Gast bei einem der üblichen 140 Watt Netzteile fast 4 Stunden bis zur vollen Ladung bleiben. Wir blieben nur 2 Stunden zum Baden und zum Essen. Der Umsatz für unseren Verzehr während des Aufladens der Akkus lag dann ca. 200 Mal höher, wie die zusätzlich zu erwartenden Stromkosten. Am Landauer Schloss hätten wir mindestens das 500 fache für Speisen und Getränke ausgegeben, als die Abgabe von Strom den Betreiber gekostet hätte.
Fazit: Wer E-Bikern für wenige Cent Selbstkosten Elektrische Energie anbietet, könnte das ebenso wie die Bereitstellung von kostenlosem W-Lan im Aushang oder auf seiner Internetspeisekarte bekanntmachen: „Eine Schuko-Steckdose steht für mitgebrachte E-Bike-Ladegeräte auf Anfrage oder bei vorheriger Tischreservierung bereit“. Leichter könnte man Kunden kaum gewinnen und zufriedenstellen. Die Anzahl der E-Bikes wächst dank der preiswerten Discounter schnell. Die meisten Nutzer sind rüstige Rentner mit dem Wunsch die schönen Tage des Jahres zu nutzen, und dabei den Radius ihrer Touren zu erweitern. Stromlos das Rad die Berge hinaufzuschieben wollen sich viele nach einer längeren Tour nicht antun. Ein 2. Akku ist hilfreich aber er erhöht das Gewicht und die Zusatzkosten belaufen sich auf ca. 500 Euro.
Angesichts der Popularität der Pedelecs könnten Gastronomen von ihren Verbänden über die wachsende Kundengruppe und deren Bedürfnisse informiert werden. Gemeinsam könnte man ein Verzeichnis der Lademöglichkeiten erstellen oder zumindest Richtlinien erstellen, damit die E-Biker per Suchmaschine die passende Kombination zur Versorgung ihrer Mägen und E-Bike-Akkus finden..
Stromtankstellenverzeichnisse für Elektroautos gibt es schon lange. Für E-Biker fehlt so etwas in Kombination mit den Bewirtungsmöglichkeiten, Stadtführungen oder Besichtigungen. Als Datenbankfachmann würde ich den Arbeitsaufwand für jeden Eintrag einer Ladestation mit 5 Euro ansetzen. Meine diesbezüglichen Überlegungen und Kalkulationen erkläre ich gern in einer Videokonferenz mit Touristikexperten. Ebenso erläutere ich auch, welche Datenformate gewählt werden sollten, damit die Datenbankeinträge auch in die Apps für die E-Biker eingehen können.
Die von uns genutzte Weserradweg App ist übersichtlich, um Strecken zu planen, Reparaturdienste zu bestellen und Übernachtungsmöglichkeiten zu finden, aber Ladestationen findet man in der App bisher noch nicht.
Als Radfahrer wählten wir die Einkehrmöglichkeiten oft spontan während der Tour. Nach den frustrierenden Erfahrungen in der Region Nordhessen und dem Weserbergland werden wir bei zukünftigen E-Bike-Zwischenstopps nicht mehr persönlich vorsprechen, sondern per Smartphone von außerhalb der Gaststätte anfragen. Dann kommt man sich nicht als Strombettler vor, sondern als jemand der nur dann zum zahlenden Gast wird, wenn die Rahmenbedingungen stimmen.
Ein paar Rastmöglichkeiten für E-Biker wurden von uns schon getestet und sind hier zusammengestellt:
Basdorf (Edersee-Nähe): http://www.kutscherhus.info
Königsalm (zwischen Kassel und Unter-Werra): https://www.komoot.de/highlight/159189
Strandbad Twistesee (auf Anfrage): https://www.strandbad-twistesee.de
Hubert´s Restaurant Pizzeria Café in Waldeck-Sachsenhausen (auf Anfrage)